Über das Kickern
Nicht mal ein Quadratmeter steht den 22 Akteuren zur Verfügung, die, aufgehängt an verchromten Stahlstangen, auf Torejagd gehen. Aber die Kunststücke, die sie auf engstem Raum mit dem kleinen Kunststoffball vollbringen, rauben dem Zuschauer ab und an den Atem. Vorausgesetzt, an der Seitenlinie stehen Experten, die reaktionsschnell an den Stangen drehen.
Bereits vor mehr als 100 Jahren wurden Tischfußball-Geräte in Frankreich fabriziert, die sich vom Erscheinungsbild nicht allzu sehr von den heutigen Automaten unterschieden. In der Nachkriegszeit kamen die ersten Tischfußballspiele auf den deutschen Markt. Mit dem launigen Spruch "Prüfst Du die Systeme hart, wählst Du bestimmt den Leonhart" machte das Produkt eines süddeutschen Herstellers auf sich aufmerksam. Die 1951 von der Firma Förster aus Belgien eingeführten Produkte mußten von den Spielern noch von der Kopfseite her bedient werden. Und unter dem Markennamen "Kicker" - der sogar zum Begriff für die Gerätegattung avancierte - vertreibt auch heute noch ein Unternehmen aus Übach-Palenberg seine Tischfußballspiele.
Hart geprüft werden die Systeme von den Spielern allemal. Da versucht der Anfänger, mangelnde Technik durch Kampf mehr als wettzumachen, bringt die Stangen zum rotieren, stößt und zerrt an ihnen, so daß eigentlich die Rote Karte fällig wäre. Aber es gibt zum Glück auch die feinere Gangart. Da läuft der Ball durch die eigenen Reihen, da dirigiert der Torwart seine Hintermannschaft, und das massive Mittelfeld - an der dritten Stange hängen nämlich fünf Spieler - schafft immer wieder den entscheidenden Paß auf die drei Sturmspitzen.
Dabei entpuppt sich Tischfußball bei einem Spielpreis von 50 Cent für die "Außenstehenden" als absolut preiswertes Vergnügen. Bis zu vier Leute gleichzeitig können auf Torejagd gehen, und eine gepflegte Partie am Turnier-Soccer kann schon mal ein gutes Viertelstündchen dauern.
Die massiven Sportgeräte bringen immerhin bis zu 100 Kilogramm auf die Waage. Bei Stückpreisen von 1.000 bis 1.500 EUR werden die äußerst robusten Tischfußballspiele zu einer entsprechend langlebigen Investition. Automaten, die 20 Jahre und älter sind, sind in diesem Segment der Münzspielunterhaltung keine Seltenheit. Lediglich wegen Verschleißerscheinungen müssen - fast schon wie im richtigen (Fußball)Leben - mal ein paar Figürchen ausgetauscht werden. Dabei sorgt die Zubehörindustrie dafür, daß noch mehr Farbe ins Spiel kommt - dank Kunststoffpuppen im Originaltrikot der Bundesligaclubs.
Genaue Schätzungen über die Zahl der Aktiven, die in ihrer Freizeit an den Stangen drehen, gibt es nicht. Experten vermuten allerdings, daß bis zu 80.000 Tische aufgestellt sind. In Kneipen und Gaststätten, aber auch in Billardcafés und nicht zu vergessen in den vielen Jugendtreffs erfreuen die Kicker ein gemischtes Publikum. Und bei regelmäßig ausgetragenen Turnierserien finden sich zumeist mehrere hundert Teilnehmer ein.